Lee Mingwei禮 Li, Geschenke und Rituale -

Lee Mingwei, Our Labyrinth, 2015/2021, Metropolitan Museum of Art, New York, Foto: © Stephanie Berger

Gefördert durch das Kulturministerium Taiwan. Mit freundlicher Unterstützung von Böhmler/Poliform

Das Museum Villa Stuck zeigt vom 13. Mai bis 12. September 2021 die Ausstellung »Lee Mingwei: 禮 Li, Geschenke und Rituale«. Zu sehen sind Installationen und Performances der letzten 30 Jahre, mit denen der Künstler Rituale des Schenkens und des Beschenktwerdens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt – zentral ist dabei die aktive Einbindung des Publikums. Lee Mingwei (*1964, Taichung, Taiwan, lebt und arbeitet in Paris und New York), dessen Arbeiten mit dieser Ausstellung zum ersten Mal in München präsentiert werden, stellt die Kunst als transformatives, immaterielles Geschenk dar. Die Darbietung von Liedern, Gesprächen und kontemplativer Momente regt die Besucher*innen an, selbst tätig zu werden.

Persönliche Begegnungen sind häufig Ausgangspunkt für Projekte, bei denen Lee Mingwei seiner Faszination für das Schenken von Zeit und Hingabe Ausdruck verleiht. Der Rolle des Gastgebers räumt der Künstler einen besonderen Stellenwert ein. So werden in The Living Room Münchner Sammler*innen dazu eingeladen, als Gastgeber*innen ihre einzigartigen Stücke auszustellen. In The Mending Project führen Näher*innen Gespräche mit Besucher*innen, während sie deren Kleidungsstücke reparieren oder veredeln. Diese Prozesse schaffen einen gemeinsamen Raum, in dem die Betrachter*innen die Möglichkeit haben, in einen Austausch zu treten. Alle sind eingeladen, Teil von Lees Universum der kollektiven Empathie zu sein. Die Ausstellung berührt jede*n Einzelne*n: durch direkte Ansprache, Aufmerksamkeit, Kontemplation und zwischenmenschliche Begegnungen.

Die Arbeit Fabric of Memory zeigt ausgewählte Textilien mit Erinnerungspotenzial. Menschen geben für die Ausstellung lieb gewonnene Kleidungsstücke ab, die ihr Leben emotional bereichert haben und die dadurch Geschichten erzählen. So legen die Textilien mit ihren immanenten persönlichen Geschichten anrührend Zeugnis ab für das feine Geflecht der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Kraft ihrer Wirkung.

In Sonic Blossom bekommt der*die Besucher*in ein Schubert-Lied von einer*m Opernsänger*in geschenkt. Auf einem Holzstuhl sitzend wird man überwältigt von der Kraft der Musik – und auch von diesem intimen Moment der Begegnung inmitten des historischen Musiksalons von Franz von Stuck. Die Frage, die man sich in dieser Situation stellt, lautet: Wie weit kann ich mich auf diesen Moment einlassen und mich diesem Geschenk des*r Sänger*in bzw. des Künstlers öffnen?

Der ganzheitliche Anspruch des Künstlers an sein eigenes Schaffen aber auch an die Interaktion mit den Besucher*innen der Ausstellung zeigt exemplarisch, wie relevant zeitgenössische Kunst im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses ist. Lee Mingweis Arbeiten stellen in ihrer Konsequenz eine der weltweit radikalsten Möglichkeiten dar, Kunst als gesellschaftspolitische Stellungsnahme zu begreifen. Das verändert die Haltung des Publikums und der Institutionen zugleich und führt unweigerlich zur Frage, wie wir uns in Zukunft verhalten werden.