Collecting HistoriesNeueste Erwerbungen, Schenkungen und Dauerleihgaben für die Sammlungen des Museums Villa Stuck -

Franz Stuck, Satyr mit Nymphen und Kind, um 1889, Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich

2020 war ein glückliches Jahr für die Sammlungen des Museums Villa Stuck, die in den letzten Monaten durch Neuerwerbungen, Schenkungen und eine Dauerleihgabe vielfältig erweitert werden konnten. Wichtige Werke der Porträtmalerei, Pastelle, Plakate, Aquarelle und ein Möbel sowie die ersten 13 Jahrgänge der politisch-satirischen Wochenzeitschrift Simplicissimus bereichern nun die größte öffentliche Sammlung der Werke Franz von Stucks im Künstlerhaus Villa Stuck.

Der Titel Collecting Histories ist eine Hommage an Francis Haskell (London 1928-2000 Oxford), der zu den bedeutendsten und originellsten Kunsthistorikern des 20. Jahrhunderts gehört. Aus seinem Besitz stammen die Kinderporträts seiner in Kiew geborenen Mutter Vera Saitzoff und ihres Bruders Alexander, die Franz von Stuck 1913 malte. Über ihre sehr wohlhabende Fabrikanten-familie, die ein Stadtpalais in Kiew bewohnte und zu Beginn der Revolution 1917/18 in den Westen floh, erzählt Alexander Solschenizyn in seinem kontroversem Bericht über die Juden in Russland „Zweihundert Jahre zusammen“ (2001).

Haskell feiert in seiner Publikation „Die Geschichte und ihre Bilder“ jedes Kunstwerk als Bildzeugnis europäischer Kultur- und Geistesgeschichte sowie als Moment zeitgenössischen Erlebens. Das Künstlerhaus Villa Stuck ist ein kongenialer, authentischer Ort beider Perspektiven.

Die Schenkung seiner Ehefrau Larissa Haskell gelangt dank der Initiative von Sir Nicholas Penny, von 2008 bis 2015 Direktor der National Gallery in London 2008, in die Villa Stuck. Seit einem gemeinsamen Besuch von Haskell und Penny in München waren beide erklärte Fans des neoklassizistischen Künstlerhauses Franz von Stucks. Bereits 1981 hatte Penny zusammen mit Haskell „Taste and the Antique. The Lure of Classical Sculpture 1500-1900“ veröffentlicht.

Prinzregent Luitpold gehört zu den meist porträtierten Persönlichkeiten Franz von Stucks. Eine weitere Schenkung zeigt den 76-jährigen nicht in Uniform oder historischer Tracht mit Wittels-bacher Hubertusorden, sondern zivil in einem selten veristischen Altersporträt. Das Gemälde stammt aus der Familie von Johann Wilhelm Spaeth, einem der wichtigsten Industriepioniere Nürnbergs im 19. Jahrhundert, und belegt die eng mit der Firmen- und Familiengeschichte verknüpfte Beziehung zum Königshaus und Mitgliedern des Hauses Wittelsbach.

Zwei außergewöhnliche Aquarelle stammen aus dem Frühwerk Stucks um 1889 am Übergang vom Zeichner zum Maler: selbstironisch posiert der junge Stuck u. a. als stolzer Satyr mit Nymphen und Kind im antiken Zypressenhain.

Als besondere Entdeckung kann das bislang einzige bekannte Plakat Stucks für die Münchner Jahresausstellung im Glaspalast 1889 gewertet werden, bei der Franz von Stuck mit dem „Wächter des Paradieses“ seinen Durchbruch als Maler erfährt. Gemälde, Plakat und ein großformatiger Entwurf („Huldigung an die Malerei“) können nun erstmals zusammengeführt werden.

Das Künstlerhaus kann an markanter Stelle zudem das „Coming Home“ eines Möbels feiern: an den Eingang des Künstlerateliers kehrt nach knapp 100 Jahren ein Kabinett mit Darstellungen der zehn Lebensstufen im Stil der Spätrenaissance zurück.

Als bedeutende Dauerleihgabe bereichert eine bislang unbekannte Version einer „Sünde“ in Pastell (nach 1905) die Sammlungen des Museums Villa Stuck – eine Provenienzrecherche macht es möglich, das markante Bild aus Privatbesitz nun in der Villa Stuck zu präsentieren.

Der besondere Dank des Museums Villa Stuck gilt den Mitgliedern des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V., deren Schenkungen - in Zeiten der Distanz - ein Zeichen besonderer Verbundenheit bekunden und die Sammlungen langfristig bereichern.

Eindrücke

Franz von Stuck, Prinzregent Luitpold ,1897, Museum Villa Stuck (Schenkung von Uta-Elisabeth Trott und ihrem Mann Klaus-Rüdiger Trott im März 2021), ausgestellt in der ehemaligen Garderobe der Villa Stuck an der Prinzregentenstrasse. Foto: Jann Averwerser

Franz von Stuck, Satyr mit Nymphen und Kind, um 1889 (Neuerwerbung Museum Villa Stuck), sowie Faun und badende Nixen, um 1889, Museum Villa Stuck (Schenkung des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V.). Foto: Jann Averwerser

Franz von Stuck, Vera & Alexander Zaitzoff (Mutter des englischen Kunsthistoriker Francis Haskell), 1913, Museum Villa Stuck (Schenkung Mrs. Larissa Salmina Haskell). Foto: Jann Averwerser

Speisesaal der Villa Stuck mit den ersten 13 Jahrgängen des satirischen Wochenmagazins SIMPLICISSIMUS 1896-1908 (Schenkung des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V.). Foto: Jann Averwerser

Franz von Stuck, Plakat der Münchner Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im Königlichen Glaspalast, 1889, Lithographie mit Golddruck, Museum Villa Stuck (Schenkung des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V.). Foto: Jann Averwerser

Eingang zum Malatelier des Künstlers Franz von Stuck mit dem neuen Kabinettschränkchen im Stil der Renaissance und mit Darstellungen der 10 Lebensstufen, süddeutsch um 1900, Museum Villa Stuck (Schenkung des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V.). Foto: Jann Averwerser

Franz von Stuck, Die Sünde, nach 1905, Pastell auf Karton im Originalrahmen von Georg Oberndorfer, Museum Villa Stuck (Dauerleihgabe aus Privatbesitz). Foto: Jann Averwerser

100 Sekunden mit Margot Th. Brandlhuber

Neuerwerbungen

  • Satyr mit Nymphen und Kind
  • Prinzregent Luitpold von Bayern
  • Die Sünde
  • Plakat der Münchner Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im königlichen Glaspalast
  • Kabinettschrank mit den 10 Lebensstufen
  • Alexander Zaitzoff

Satyr mit Nymphen und Kind

Die außergewöhnlichen Zeichnungen stammen aus dem Frühwerk Stucks um 1889 – am Übergang vom Zeichner zum Maler: selbstironisch posiert der junge Stuck in einem Blatt als stolzer Satyr mit Nymphen und Kind im antiken Zypressenhain. In einem anderen Werk (ohne Abbildung hier) belauscht ein Faun neugierig Nymphen, die sich nackt im Wasser tummeln.Die Blätter wurden unabhängig voneinander erworben und sind beide in einem bislang unbekannten Stil gezeichnet. Sie wirken zusammengehörig, tragen aber unterschiedliche Signaturen und markieren die Wende zu künstlerischem Selbstbewusstsein- und vermarktung.

Prinzregent Luitpold von Bayern

Franz von Stuck schuf eine ganze Reihe von Porträts des Prinzregenten Luitpold (1821-1912). Die Schenkung zeigt den 76-jährigen nicht in Uniform oder historischer Tracht als Herrscher mit der kostbaren Collane und dem Ordenskreuz des wittelsbachischen Hubertusordens oder im Hermelinmantel wie bei Max Slevogt 1908, sondern in einem selten veristischen Altersporträt des Prinzregenten in zivil. Im Porträt steht der Prinzregent in schwarzem Mantel mit schmalem, weiß blitzendem Kragen vor einem dunkelgrau monochromen Hintergrund, den das Wappen des Königreichs Bayern ziert. Wach und konzentriert wirft der 76-jährige dem Betrachter einen Blick entgegen, der die Anstrengungen und Erfolge seiner Regierungszeit offenbart, die geprägt war von wirtschaftlichem Wachstum und einer kulturellen Blüte ohne Krieg. Das Porträt wurde 1897 von der Urgroßmutter der Schenkerin Helene Hammerbacher bei der VII. internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast erworben. Es belegt die eng mit der Firmengeschichte verknüpfte Beziehung der Familie Spaeth zum Königshaus und Familienmitgliedern des Hauses Wittelsbach.

Plakat der Münchner Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im königlichen Glaspalast

Als besondere Entdeckung kann das bislang einzige bekannte Plakat Stucks für die Münchner Jahresausstellung im Glaspalast 1889 gewertet werden, bei der Franz von Stuck mit dem Wächter des Paradieses erstmals als Maler auftritt und mit seiner ungewöhnlichen Interpretation des Bildthemas eine Goldmedaille zweiter Klasse erringt. Der Wächter des Paradieses ist der erste bedeutende Beitrag Stucks zur symbolistischen Malerei in Europa. Neben dem Gemälde befindet sich auch der großformatige Entwurf für das Ausstellungsplakat 1889 mit dem Titel Huldigung an die Malerei in den Sammlungen des Museums. Gemälde, Plakat- und Entwurf können nun in der Ausstellung erstmals zusammengeführt werden.

Die Sünde

Als bedeutende Dauerleihgabe bereichert eine bislang unbekannte Version einer Sünde in Pastell (nach 1905) die Sammlungen des Museums Villa Stuck – eine Provenienzrecherche machte es möglich, das markante Bild aus Privatbesitz nun in der Villa Stuck zu präsentieren.Die vorliegende Pastellversion des Bildes unterscheidet sich von den insgesamt 13 weiteren bekannten Versionen durch den zweidimensionalen Rahmen. Dessen Konstruktion und Bemalung markiert die Architektur eines antiken Giebels und wurde von der Firma Oberndorfer in München gefertigt. Der Ausschnitt des Pastells konzentriert sich auf Kopf, Blick und den nackten Oberkörper der Sünde. Die fauchende Schlange, die Komposition und intensive Farbigkeit sind eng mit dem Gemälde auf dem Altar der Sünde der Villa Stuck verwandt. Sie sind aus ähnlicher Zeit datiert.

Kabinettschrank mit den 10 Lebensstufen

Ein wahres „Coming Home“ feiern wir im Künstlerhaus mit einem Möbel, das einst eine markante Stelle des Hauses einnahm: an den Eingang des Künstlerateliers kehrt ein Kabinett im Stil der Spätrenaissance mit Darstellungen der zehn Lebensstufen zurück.

Franz von Stucks Tochter Mary hatte das Kabinettschränkchen nach dem Tod ihres Vaters an einen befreundeten Maler geschenkt, in dessen Familienbesitz es sich bislang befand. Nach knapp 100 Jahren erstrahlt es nun an seinem ursprünglichen Aufstellungsort. Es steht in starkem Kontrast zu Stucks Möbeln nach eigenem Entwurf, mit denen es  ihm gelang, sein Haus in einem höchst eigenwilligen und neuartig antikisierenden Stil auszustatten. Das Kabinett ist Teil der vielfältigen Künstlersammlung, mit der Stuck nicht nur Erfolg und Wohlstand, sondern vor allem seine in  Museumskreisen anerkannte, künstlerische Kennerschaft bewies. Sie erschloss sich dem Atelierbesucher auf dem Weg vom Vestibül über das geschwungene Treppenhaus bis zum Eingang des Künstlerateliers.

Alexander Zaitzoff

Aus dem Besitz des englischen Historikers Francis Haskell (London 1928-2000 Oxford) stammen die Kinderporträts seiner russischen Mutter Vera Zaitzoff (1903-1968) und ihres Bruders Alexander, die Franz von Stuck 1913 – wahrscheinlich nach Fotografien – malte. Haskells Mutter wurde 1903 in Kiew in eine sehr wohlhabende Handelsfamilie geboren, über die auch Alexander Solschenizyn in seinem kontrovers diskutierten Buch über die Juden in Russland, „Zweihundert Jahre zusammen“ (2001), berichtet. 1926 übersiedelte Vera nach England, wo sie den Tanzhistoriker Arnold Haskell (1903-1980) heiratete. Francis Haskell gehört zu den bedeutendsten und originellsten Historikern des 20. Jahrhunderts.

Die Kinderporträts sind eine Schenkung seiner ebenfalls russischen Ehefrau Larissa Salmina Haskell, die als Kuratorin an der Eremitage in St. Petersburg tätig war und nach ihrer Heirat u.a. für das Ashmolean Museum in Oxford Kataloge zur Russischen Kunst publizierte. Die Schenkung gelangt mit Hilfe von Sir Nicholas Penny (Direktor der National Gallery in London, 2008-2015) in die Sammlung des Museums.

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Besonderer Dank

Der besondere Dank des Museums Villa Stuck gilt den Mitgliedern des Vereins zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V., deren Schenkungen - in Zeiten der Distanz - ein Zeichen besonderer Verbundenheit bekunden und die Sammlungen langfristig bereichern.

Gespräch mit Sir Nicholas Penny

Margot Th. Brandlhuber im Gespräch mit Sir Nicholas Penny, Direktor der National Gallery in London von 2008 bis 2015

Penny ist Protagonist der 3-stündigen Film-Dokumentation „National Gallery“ (Regie: Frederick Wiseman 2014), die während seiner Amtszeit entstand, – „eine Sternstunde der Kunstvermittlung“ (taz, Christina Nord), eine „Hommage an die Kunst und ihre Vermittler“ (SZ).

Ein Dialog über die außergewöhnliche Schenkung aus dem Besitz des englischen Kunsthistorikers Francis Haskell an die Villa Stuck, ihre Freundschaft, seine große Liebe für Künstlerhäuser, insbesondere die Villa Stuck, und das kulturelle Leben in London aktuell.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Ein Spaziergang durch die Villa Stuck mit der Sammlungsleiterin Margot Th. Brandlhuber“, seit März 2020 sonntags auf Instagram und Facebook – erstmals live!

Digitaler Rundgang mit Margot Th. Brandlhuber

Broschüre

Die Broschüre zur Ausstellung ist kostenlos im Museum zu erhalten.