Evelyn Hofer (1922 – 2009)Retrospektive -

Evelyn Hofer, Queensboro Bridge, New York 1964, Courtesy Galerie m Bochum © Estate of Evelyn Hofer

Mit einer Auswahl von über 200 Arbeiten beleuchtet die Ausstellung neben bekannten Werken auch Hofers bislang weniger bekannte Fotografien. Zum ersten Mal ist Hofers vollständiges Œuvre mit Werken aus allen Schaffensphasen zu sehen, wobei ein besonderes Augenmerk auf ihre fotografischen Essays für Magazine gerichtet wird. Die enge Zusammenarbeit mit dem Estate of Evelyn Hofer machte die Sichtung aller Fotografien und Archivmaterialien und damit eine umfassende Recherche am Museum Villa Stuck während der vergangenen Jahre möglich.

Immer wieder hat sich das Museum Villa Stuck dem Werk international renommierter Fotografinnen gewidmet: Grete Stern (1997), Helen Levitt (1998/99), Madame Yevonde (1999/2000), Herlinde Koelbl (2008) und zuletzt Regina Schmeken (2014) sind hier zu nennen. In der Tradition dieser Projekte ist die Retrospektive zu Evelyn Hofer im Museum Villa Stuck zu sehen. Dabei ist insbesondere die Verbindung Evelyn Hofers zur Villa Franz von Stucks zu erwähnen: Ihre Aufnahmen der repräsentativen Wohnräume sind 1986 in House and Garden sowie in der Vogue erschienen.

Hofer war als Fotografin international tätig; als eine der bedeutenden Exponentinnen ihres Fachs erstreckte sich ihre Karriere über eine Zeitspanne von über 50 Jahren. Mit ihrer Großformatkamera fand sie zu ihrem unverkennbaren, klassischen Stil in Farbe und Schwarz-Weiß, mit dem sie über einen dokumentarischen Ansatz weit hinauswies. Ihr unmittelbarer Blick offenbart dem heutigen Betrachter eine subtile Mehrdeutigkeit. Hofers Werk zeigt Menschen und Orte und überzeugt durch einen einnehmenden Ausdruck. Fern der Ästhetik von Momentaufnahme oder Schnappschuss, wie sie in den 1970er- und 1980er-Jahren populär war, sind klassische Kriterien zentral in Evelyn Hofers Werk: Sie konzentriert sich auf Wesentliches und besticht durch Ausgewogenheit in der Komposition.

Hofers Aufnahmen verdeutlichen die unbedingte Hinwendung zum Gesehenen – und zum Menschen. Durch die Auftragsvergabe – mit wenigen Ausnahmen sind alle Fotografien im Auftrag von Publizisten und Redakteuren entstanden – ist das Werk meist in Bildserien angelegt. Eine Faszination geht dabei insbesondere von den Menschenbildern Hofers aus, die Konzentration und Ruhe ausstrahlen, ohne dabei Stillstand zu assoziieren. Hofer entfaltet eine Aura, die darauf abzielt, über ein rein dokumentarisches Moment hinaus eine Interpretation der Welt zu schaffen, die sowohl den Zeitgeist als auch eine gewisse Zeitlosigkeit in sich vereint. Den poetischen Blick mit der Kamera führte Hofer zur Perfektion. In einer Zeit, als die Fotografie ihre Anerkennung als künstlerisches Medium fand, wurde auch die klassische Auftragsfotografin Hofer nach und nach als Künstlerin wahrgenommen, die die Kamera als ihr Instrument wählt, um ihre persönliche Sicht auf die Welt zu bannen.