Geh und spiel mit dem Riesen!Kindheit, Emanzipation und Kritik -

Mafalda und ihre Freunde © 1964, Joaquin S. Lavado (Quino) / Published by arrangement with Caminito S.a.s. Literary Agency Gestaltung: KMS TEAM München
Mafalda und ihre Freunde © 1964, Joaquin S. Lavado (Quino) / Published by arrangement with Caminito S.a.s. Literary Agency Gestaltung: KMS TEAM München

Mit freundlicher Unterstützung von outset und Castringius Kinder & Jugend Stiftung

Die Ausstellung »Geh und spiel mit dem Riesen!« zeigt über 80 Werke internationaler, zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die sich mit der Projektion und sozialen Konstruktion von Kindheit befassen. Die Ausstellung ist eine Einladung an Kinder und Erwachsene, sich mit Fragen des Kindseins zu beschäftigen. »Geh und spiel mit dem Riesen!« hinterfragt Konventionen, aus denen sich die soziale und politische Einschätzung von Kindheit herleiten. In den künstlerischen Arbeiten geht es um die oft widersprüchlichen Vorstellungen von Kindheit, um die Sehnsucht nach dem in der Natur und in Freiheit aufwachsenden Kind, dem autonomen, selbstbestimmten und dem leistungsfähigen, angepassten, dem in einer industrialisierten und ökonomisierten Gesellschaft funktionierenden Kind.

Installationsansicht Museum Villa Stuck

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Installationsansicht Museum Villa Stuck

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Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Stimmen der Gegenwartskunst, die Kindheit nicht isoliert als Alters- oder Entwicklungsstufe betrachten, sondern im Widerstreit mit gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen. »Erwachsene sind nur ein bisschen größer« und »das Erwachsensein letztlich eine Sache größerer Erfahrung«, sagt Hans-Joachim Gelberg, der mit »Geh und spiel mit dem Riesen« im Jahr 1971 sein berühmtes, für die Ausstellung titelgebendes Jahrbuch der Kinderliteratur herausgegeben hat. Erschienen ist das Buch in einer Zeit, in der der aufklärerische Gedanke des revoltierenden Kindes in der antiautoritären Erziehung erprobt und die gesellschaftliche Erneuerung vom Kind aus gedacht wurde. Dem Kind wurde erstmals eine eigenständige Rolle in der Gesellschaft zuget raut. In der heutigen Zeit, in der der gesellschaftliche Stellenwert des Kindes in erster Linie unter ökonomischen und effizienzorientierten Aspekten diskutiert wird, ist »Geh und spiel mit dem Riesen« als Aufforderung zu sehen, Kindern und Erwachsenen jenen Raum zu geben, der notwendig ist, um Kritik und Emanzipation entfalten zu können.

Das Bestreben, Kinder als ernst zu nehmende Rezipienten in die Ausstellung miteinzubeziehen, bestimmte maßgeblich auch die Auswahl der Kunstwerke, die Ausstellungsarchitektur und die darin integrierten Aktionsräume. Diese Ausstellung möchte einen Raum für echte Teilhabe bieten, in dem Kinder mit eigenen Gedanken, Ideen und Meinungen ernst genommen werden, wendet sich aber nicht explizit und ausschließlich an Kinder oder Familien, sondern an Besucherinnen und Besucher jeden Alters.

Entlang der Schlüsselbegriffe Dschungel, Monster, Roboter, Riesen sowie Kawaii führt ein Parcours durch die Ausstellung, für den die Künstlerin Mirjam Thomann ein Raumkonzept entwickelt hat. Die Ausstellungsarchitektur mit ihren multifunktionalen Modulen, die den programmatischen Titel »Raum für dicke Kinder und schlechte Laune« trägt, präsentiert und schützt die ausgestellten Kunstwerke und lädt gleichzeitig zur Benutzung ein. Durch die doppelte Funktion des Displays reagiert Thomann auf das Bedürfnis der Kinder, sich zu bewegen und hinterfragt dabei jene Tendenzen, die Aktivität, Lebendigkeit und gute Laune zum allgemeingültigen Paradigma für das Kindsein erheben. Ziel dieser Präsentation ist eine enge Verflechtung und Interaktion von Besucherinnen und Besuchern mit den Kunstwerken.

Beteiligte Künstler und Künstlerinnen

Alex Bag, John Baldessari, Pierre Bismuth, Gottfried Bechtold, Henning Bohl/Ei Arakawa, Cosima von Bonin, Boris Charmatz/Petit Musée de la danse, Margit Czenki, Andrea Diefenbach, Stephan Dillemuth, Thomas Eggerer, Andy Hope 1930, Asger Jorn, Gülsün Karamustafa, Mike Kelley, Jochen Klein, Jakob Kolding, Jeff Koons, Alfred Kubin, Cornelia Lein, Michel Majerus, Michaela Melián, Stefan Moses, Yoshitomo Nara, Nils Norman, Oswald Oberhuber, Albert Oehlen, Willem Oorebeek, Adrian Paci, Viktor Papanek, Johannes Porsch, Lukas Posch, Josephine Pryde, Aura Rosenberg, Anri Sala, Hank Schmidt in der Beek, Jan Timme, Mirjam Thomann, Rosemarie Trockel, Twin Gabriel, Rens Veltman und Heimo
Zobernig

Geh und spiel-Tische

»Geh und spiel mit dem Riesen!« vereint Ausstellung und aktive Vermittlungsarbeit – und bietet so Besucherinnen und Besuchern aller Generationen die Möglichkeit, die Ausstellung nicht nur über das Sehen, sondern auch über eine aktive Auseinandersetzung wahrzunehmen. Die sogenannten Geh und spiel-Tische sind integraler Bestandteil der Ausstellung und wurden gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern entwickelt.

Im Künstlergarten der Villa Stuck hat der österreichische Künstler Heimo Zobernig das Wort »APROPOS« in Helvetica als Spielgerät installiert. Die horizontal und vertikal ineinander verschachtelten Buchstaben werden durch Klettern, Sitzen, Laufen und Begehen lesbar.

Die performative Installation »Echauffement lecture« des »Petit Musée de la danse« des Choreographen Boris Charmatz bringt ganz paradox das Museum als Ort der Konservierung und den Tanz, die Kunst der Bewegung, zusammen. Texte von Gilles Amalvi werden als choreografische Handlungsanweisungen auf Holzstäben als Mobile im Raum angebracht. Um diese Texte zu lesen, muss man sich beugen, strecken oder kriechen und durchbricht so die herkömmliche Art, sich in einem Museum zu bewegen.

Zudem wird eine Rekonstruktion von »Floppy Math« bereitgestellt, das von Holly Hughes, einer Schülerin des Designers Viktor Papanek, entwickelt wurde. Mit den farbigen Stoffelementen in Form von Quadraten und Dreiecken können mathematische Formeln wie der Satz des Pythagoras gefaltet werden.

Bei der 14. Spielgabe von Friedrich Fröbel, die dem Flechten gewidmet ist, können bunte Papierstreifen mit einer Flechtnadel in Buntpapiere mit eingeschnittenen Schlitzen geschoben und auf diese Weise selbst entworfene Muster oder kurze Texte gewebt werden. Parallel dazu haben Kinder und Erwachsene die Möglichkeit, mit digitalen Apps Verbindungen zwischen Geometrie und Digitalität herzustellen.

Nils Norman entwickelt überdimensionierte Bausteine, die sich mit ihren kristallinen Formen auf den deutschen Begründer des Kindergartens, Friedrich Fröbel beziehen. Diese können im Raum bewegt und positioniert werden.

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog im Kerber-Verlag, der von dem Künstler Johannes Porsch gestaltet wurde und der – wie die Ausstellung – für Kinder und Erwachsene gleichermaßen konzipiert ist. Über die Abbildungen der Exponate hinaus sind Mafalda-Comics zu den Kinderrechten sowie ausgewählte Zeichnungen aus »Opa Hucke's Mitmachkabinett« von F.K. Waechter, einem der ersten Kritzelbücher überhaupt, enthalten. Einen wesentlichen Bestandteil des Buches bilden die verschiedenen Textformate: Neben den Texten der Kuratorinnen zur Ausstellung umfasst das Buch einen literarischen Beitrag von Andreas Neumeister, einen Essay von Helmut Draxler über Pädagogik und Psychoanalyse, einen Beitrag von Nils Norman über Spielplätze und einen Essay von Kathrin Röggla.

Hg.: Michael Buhrs, Anne Marr und Eva Maria Stadler
Kindheit, Emanzipation und Kritik
Softcover, 256 Seiten, ISBN: 978-3-7356-0018-9