Heinrich Kley (1863-1945)Ein Meister der Zeichenfeder im Kontext seiner Zeit -

Heinrich Kley, Die Politiker, 1910, Feder in Tusche, 28,5 x 33,5 cm, Privatsammlung. Foto: Marianne Franke, 2010

Die Biographie und das Werk des zu Lebzeiten bekannten und erfolgreichen Künstlers Heinrich Kley (geboren 1863 in Karlsruhe, gestorben 1945 in München) sind von der kunsthistorischen Forschung erst vor kurzem aufgearbeitet worden. Bis dahin war er allenfalls Kennern des Münchner Kunstlebens der vorletzten Jahrhundertwende sowie Sammlern seiner Arbeiten in Deutschland und den USA ein Begriff. Der kunstinteressierten Öffentlichkeit ist Kley vor allem seit der Ausstellung »Walt Disneys wunderbare Welt und ihre Wurzeln in der europäischen Kunst« (Hypo-Kunsthalle, München, 2008/09) bekannt.

Die vorliegende Ausstellung zeigt, dass Kleys Werk zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und gleichermaßen durch seine Qualität wie Originalität besticht. Insbesondere gilt diese Behauptung für die Zeichnungen und Aquarelle des Künstlers. Arbeiten auf Papier stehen daher im Mittelpunkt dieser Rückschau auf Kleys Leben und Schaffen.

Erstmals wird das Werk des Malers und Zeichners Heinrich Kley in einer umfassenden monographischen Ausstellung gezeigt und in den Kontext seiner Zeit gestellt. Heinrich Kley genoss zu Lebzeiten den Ruf eines erstrangigen Industriemalers, der seine Motive hauptsächlich in den Krupp’schen Gussstahlfabriken und Hüttenwerken fand. Wie kaum ein Zweiter verstand er es, die spezifischen atmosphärischen Stimmungen jener Welt durch die subtile Verbindung von zeichnerischer Präzision und koloristischem Feingefühl einzufangen. Diese Eigenschaften verleihen seinen Darstellungen über ihren historischen Wert hinaus auch heute noch besonderen ästhetischen Reiz.

Der zeitgenössischen Öffentlichkeit wurde der Künstler erst und vor allem durch die Mitarbeit an den Zeitschriften »Simplicissimus« und »Jugend« bekannt. Vor dem Ersten Weltkrieg publizierten sie hunderte seiner humoristischen, satirischen und grotesken Federzeichnungen, in denen er Themen der Gesellschaftspolitik, des technischen Fortschritts sowie des Verhältnisses zwischen Mann und Frau aufgriff. Wie die Gegenüberstellung dieser Werke mit denen der Zeitgenossen Max Klinger, Franz von Stuck, Alfred Kubin und den Mitarbeitern des »Simplicissimus« zeigt, stehen sie ihnen im Hinblick auf technische Virtuosität, psychologisches Einfühlungsvermögen und bildnerische Phantasie in nichts nach. Mit gleicher Könnerschaft charakterisierte Heinrich Kley menschliche Verhaltensweisen durch Mensch-Tier-Vergleiche pointiert und unterhaltsam. Diese Qualitäten faszinierten Jahrzehnte später Walt Disney, der die Arbeiten des Künstlers nicht nur sammelte, sondern auch als Inspirationsquelle für seine Zeichentrickfilme nutzte. Hierdurch erfuhr Kleys Werk eine ungeahnte Rezeption durch ein revolutionäres künstlerisches Medium.

Zur Ausstellung

Heinrich Kley erfuhr an der Karlsruher Kunstschule unter dem Historienmaler Ferdinand von Keller (der den Beinamen »badischer Makart« trug) eine traditionelle akademische Ausbildung. Neben dem Erlernen einer präzisen Zeichentechnik und der Schulung komplexer Kompositionen stand die Aneignung eines klassischen Themenkanons im Vordergrund. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bilden Werke, die dem Umfeld des Karlsruher Kunstlebens zuzurechnen sind (I. Themenkomplex).

Es folgt sodann ein Blick auf Kleys Auseinandersetzung mit der Welt der Industrie am Beispiel Krupp. Der Künstler erkannte in der Industriemalerei, mit der um 1900 „durch einen Zufall“ in Berührung gekommen war, bald eine Marktnische für sich und blieb hierin bis zu seinem Lebensende ein gefragter Spezialist. Auch Kleys malerisches Hauptwerk »Die Krupp'schen Teufel« von 1912/1913 ist in dieser Sektion vertreten, ein grotesk verfremdetes Monumentalbild mit riesenhaften Dämonen (II. Themenkomplex).

Daran anschließend wird Kleys Persönlichkeit sowie sein privates Umfeld betrachtet. Selbstdarstellungen in Form von Briefkarten an Freunde und Bekannte lassen diesen Bereich seines Lebens und Schaffens lebendig werden (III. Themenkomplex). Zudem geben malerische Naturstudien Einblick in die Auseinandersetzung des Künstlers mit atmosphärischen Phänomenen (IV. Themenkomplex).

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen diejenigen Werke Kleys, welche seinem Namen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg große Anerkennung brachten und durch die Veröffentlichung im »Simplicissimus« (ab 1908) sowie in der »Jugend« (ab 1910) weithin bekannt wurden. Die Mitarbeit an den beiden Zeitschriften bewog ihn schließlich zur Übersiedlung von Karlsruhe nach München. Das erste dieser Kapitel (V. Themenkomplex) stellt seine Zeichnungen neben die Werke der prominenten »Simplicissimus«-Mitarbeiter Karl Arnold, Olaf Gulbransson, Bruno Paul und Eduard Thöny. Die drei folgenden Abschnitte der Ausstellung (VI. - VIII. Themenkomplex) veranschaulichen anhand zentraler Themen in der bildenden Kunst des späten 19./ frühen 20. Jahrhunderts (Antike, Versuchung und Verführung, Gefährliche Groteske) Kleys Phantasiereichtum und zeichnerische Meisterschaft und stellen ihm Positionen von Max Klinger, Franz von Stuck und Alfred Kubin gegenüber.

Abschließend stehen zwei Bereiche von Kleys Zeichenkunst für sich. Zum einen der Tier-Mensch-Vergleich, bei dem schon die Zeitgenossen erkannten, dass der Künstler hierin ein »unerreichter Meister« sei (IX. Themenkomplex). Zum anderen Kleys ungemeine Begabung, Menschen und Tiere auf virtuose Weise beim Tanz und in Bewegung darzustellen (X. Themenkomplex). Diese Fähigkeit ließ ihn Jahrzehnte später für Walt Disney und seine Mitarbeiter zu einem viel bewunderten Vorbild werden, was sich u.a. in Walt Disneys Aussage »without the wonderful drawings of Heinrich Kley I could not conduct my art school classes for my animators« widerspiegelt. Kleys spannender Rezeption durch den amerikanischen Zeichentrickfilm wird am Beispiel des Films »Fantasia« (1941) nachgegangen (XI. Themenkomplex).