Hypnogirl 23Dominique Gonzalez-Foerster -

Dominique Gonzalez-Foerster, Making of Hypnogirl 23, Foto © Giasco Bertoli

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm tanz:digital des Dachverband Tanz Deutschland

Magdeleine G. sorgte mit ihren spektakulären Tänzen unter Hypnose Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für großes Aufsehen in München. Die experimentelle Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster nähert sich diesen ungewöhnlichen Auftritten an und inszeniert sie in Form einer holographischen Illusion in den historischen Räumen des Museums Villa Stuck. Mit dieser „apparition“ wird ein bedeutsamer Moment der Tanzgeschichte beleuchtet und wieder erlebbar gemacht – mit Blick auf heutige Perspektiven, speziell zum Thema Realität und Fiktion, Körper und Technik.
Grundlage für die zeitgenössische Interpretation sind die Publikation des Schweizer Magnetiseurs Emile Magnin L’Art et l’Hypnose. Interprétation plastique d’oeuvres littéraires et musicales (ca. 1905) mit über 200 Illustrationen des Genfer Fotografen Fred (oder Frédéric) Boissonas und Gemälden von Friedrich August von Kaulbach und Albert von Keller sowie Fotografien aus der Bibliothèque de Genève. Das Buch enthält auch ein Verzeichnis ihrer sensationellen Aufführungen, u. a. 1904 im Münchener Schauspielhaus (den heutigen Kammerspielen).
 
At the beginning of the 20th century, Magdeleine G. caused a huge sensation in Munich with the spectacular dances she performed under hypnosis. The experimental artist Dominique Gonzalez-Foerster approaches these unusual performances and produces them in the form of a holographic illusion in the historic spaces of the museum Villa Stuck. With this "apparition" a significant moment in the history of dance will be illuminated and can be experienced again – with a spotlight on contemporary perspectives, especially on the subjects of reality and fiction, body and technology.
The basis for the contemporary interpretation is the publication by the Swiss magnetizer Emile Magnin L’Art et l’Hypnose. Interprétation plastique d’oeuvres littéraires et musicales (ca. 1905) with over 200 illustrations by the Geneva photographer Fred (or Frédéric) Boissonas and paintings by Friedrich August von Kaulbach and Albert von Keller as well as photographs from the Bibliotèque de Genève. The book also contains a list of her sensational performances, including 1904 at Münchner Schauspielhaus (today's Kammerspiele).

Magdeleine G. tanzt unter Hypnose zu »Isoldes Tod«, Foto: Fred Boissonas © Bibliothèque de Genève
Magdeleine G. 1904 im Münchener Schauspielhaus, Foto: Adolf Baumann, München © Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V., Freiburg im Breisgau
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Installationsansicht „Hypnogirl 23“ im Rauchsalon der Villa Stuck, © Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Dominique Gonzalez-Foerster, Making of „Hypnogirl 23“, Foto: Giasco Bertoli
Dominique Gonzalez-Foerster, Making of „Hypnogirl 23“, Foto: Giasco Bertoli
Dominique Gonzalez-Foerster, Making of „Hypnogirl 23“, Foto: Giasco Bertoli
Dominique Gonzalez-Foerster, Making of „Hypnogirl 23“, Foto: Giasco Bertoli
Emile Magnin und Magdeleine G., Foto: Fred Boissonas © Bibliothèque Genève
Emile Magnin und Magdeleine G., Foto: Fred Boissonas © Bibliothèque Genève

MAGDELEINE GUIPET wurde in Tiflis 1874 als Emma Archinard geboren, wuchs in Genf auf und ging mit 18 Jahren nach Paris. Sie wurde für ihre Tänze unter Hypnose bekannt, die der Magnetiseur Emile Magnin veranstaltete. In Hypnose versetzt, reagierte sie auf Musik und auch auf ihr zugerufene Begriffe wie Angst oder Scham. Für einen zweimonatigen Aufenthalt wurde sie 1904 von der Psychologischen Gesellschaft nach München eingeladen, wo sie unter anderem auch im Münchener Schauspielhaus auftrat. Regie führte der Arzt und Parapsychologe Albert Freiherr von Schrenck-Notzing. Es spielte das Orchester des Gärtnertheaters. Das Bühnenarrangement stammte von Prof. Gabriel von Seidl und dem renommierten Akademieprofessor Albert von Keller, der Magdeleine G. auch mehrfach porträtierte. Eines der Gemälde befindet sich heute in der Neuen Pinakothek München. Diese Soireen sorgten in den Münchner Zeitungen für wochenlange Berichterstattung und führten zu hitzigen Debatten. So wurde die
»Traumtänzerin« 1904 in der Presse als neue Sensation diskutiert.

DOMINIQUE GONZALEZ-FOERSTER schafft es, in ihren Arbeiten verschiedene zeitliche Epochen zu verweben. Sie kreiert anhand historischer Dokumente eine Tänzerin, die in einem fiktionalen Format erneut in Erscheinung tritt. Die Künstlerin empfindet den Zustand der Hypnose durch Gesten, Haltungen, Bewegungen und Mimik nach. Daraus entsteht eine holographische Illusion, die wie schwebend im Raum erscheint und die Zuschauer:innen mit dem Phänomen Fiktion und Illusion konfrontiert.

»Dominique Gonzalez-Foersters Arbeiten sind oft von biografischen und literarischen Andeutungen geprägt. Es sind sich entwickelnde Erzählungen, die sich langsam aus diversen Versatzstücken, aus Fotografien, besonders arrangierten Interieurs und persönlichen Details erschließen lassen. Diese Fragmente werden von Gonzalez-Foerster recherchiert und als ›Indizien‹ für den Betrachter ausgelegt«, der dann selbst die Erkundung der Geschichte unternimmt. (Documenta11_Plattform5: Ausstellung. Kurzführer)

Die experimentelle Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster lebt und arbeitet in Paris und Rio de Janeiro. Sie wurde 1965 in Straßburg geboren. Nach ihrer Ausbildung 1987 an der École du Magasin des Centre National d’Art Contemporain de Grenoble und 1989 am Institute des Hautes Études en Arts Plastiques in Paris begann sie in den 1990er-Jahren mit Kurzfilmen zu experimentieren. Schon bald erweiterte sie ihr mediales Spektrum auf angrenzende künstlerische Bereiche wie Architektur, Design und Musik. Ihre interdisziplinäre Praxis umfasst Film, Installation, Video und verschiedene Formen kollaborativer Arbeit. In ihren Environments verbindet sie häufig literarische, wissenschaftliche und filmische Referenzen wie auch künstlerische Zitate. »In ihren sogenannten ›Apparitions‹ (Erscheinungen) schlüpft die Künstlerin in verschiedene Rollen, wie Marilyn Monroe, Maria Callas, Bob Dylan und Franz Kafka, zum anderen von enigmatischen oder exaltierten Charakteren aus Film und Literatur«. Sie war in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen wie der Manifesta 02 und 07, der Documenta 11 und mehrfach auf der Venedig Biennale vertreten. Auf der New Yorker Performancekunst-Biennale 09 arbeitete sie mit dem Komponisten Ari Benjamin Meyers zusammen. Ihre Arbeiten befinden sich in vielen Privat- und Museumssammlungen wie dem Centre Pompidou oder der Tate Modern. Ihre Filmarbeit »Christophe  définitivement« entstand in Zusammenarbeit mit ihrem Künstlerkollegen Ange Leccia und war auf dem Filmfestival in Cannes 2022 zu sehen.

Kostüm: Margaux Lalanne
Hair and Make Up: Mélanie Gerbeaux
Sounddesign: Julien Perez
Aufnahmeleitung: Sébastien Mizermont – Virtual Lightning
Installation: Sébastien Mizermont –Virtual Lightning
Konzept/Texte Begleitbroschüre: Thomas Betz, Margot Th. Brandlhuber und Brygida Ochaim
Grafik: Sylvie Bohnet
Produktion: Munich Dance Histories
Produktionsleitung: Barbara Galli-Jescheck