Gefördert durch das Kulturministerium Taiwan. Mit freundlicher Unterstützung von Böhmler/Poliform
Das Museum Villa Stuck zeigt vom 13. Mai bis 12. September 2021 die Ausstellung »Lee Mingwei: 禮 Li, Geschenke und Rituale«. Zu sehen sind Installationen und Performances der letzten 30 Jahre, mit denen der Künstler Rituale des Schenkens und des Beschenktwerdens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt – zentral ist dabei die aktive Einbindung des Publikums. Lee Mingwei (*1964, Taichung, Taiwan, lebt und arbeitet in Paris und New York), dessen Arbeiten mit dieser Ausstellung zum ersten Mal in München präsentiert werden, stellt die Kunst als transformatives, immaterielles Geschenk dar. Die Darbietung von Liedern, Gesprächen und kontemplativer Momente regt die Besucher*innen an, selbst tätig zu werden.
Persönliche Begegnungen sind häufig Ausgangspunkt für Projekte, bei denen Lee Mingwei seiner Faszination für das Schenken von Zeit und Hingabe Ausdruck verleiht. Der Rolle des Gastgebers räumt der Künstler einen besonderen Stellenwert ein. So werden in The Living Room Münchner Sammler*innen dazu eingeladen, als Gastgeber*innen ihre einzigartigen Stücke auszustellen. In The Mending Project führen Näher*innen Gespräche mit Besucher*innen, während sie deren Kleidungsstücke reparieren oder veredeln. Diese Prozesse schaffen einen gemeinsamen Raum, in dem die Betrachter*innen die Möglichkeit haben, in einen Austausch zu treten. Alle sind eingeladen, Teil von Lees Universum der kollektiven Empathie zu sein. Die Ausstellung berührt jede*n Einzelne*n: durch direkte Ansprache, Aufmerksamkeit, Kontemplation und zwischenmenschliche Begegnungen.
Die Arbeit Fabric of Memory zeigt ausgewählte Textilien mit Erinnerungspotenzial. Menschen geben für die Ausstellung lieb gewonnene Kleidungsstücke ab, die ihr Leben emotional bereichert haben und die dadurch Geschichten erzählen. So legen die Textilien mit ihren immanenten persönlichen Geschichten anrührend Zeugnis ab für das feine Geflecht der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Kraft ihrer Wirkung.
In Sonic Blossom bekommt der*die Besucher*in ein Schubert-Lied von einer*m Opernsänger*in geschenkt. Auf einem Holzstuhl sitzend wird man überwältigt von der Kraft der Musik – und auch von diesem intimen Moment der Begegnung inmitten des historischen Musiksalons von Franz von Stuck. Die Frage, die man sich in dieser Situation stellt, lautet: Wie weit kann ich mich auf diesen Moment einlassen und mich diesem Geschenk des*r Sänger*in bzw. des Künstlers öffnen?
Der ganzheitliche Anspruch des Künstlers an sein eigenes Schaffen aber auch an die Interaktion mit den Besucher*innen der Ausstellung zeigt exemplarisch, wie relevant zeitgenössische Kunst im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses ist. Lee Mingweis Arbeiten stellen in ihrer Konsequenz eine der weltweit radikalsten Möglichkeiten dar, Kunst als gesellschaftspolitische Stellungsnahme zu begreifen. Das verändert die Haltung des Publikums und der Institutionen zugleich und führt unweigerlich zur Frage, wie wir uns in Zukunft verhalten werden.
Aktive Teilnahme
Die Ausstellung Lee Mingwei: 禮 Li, Geschenke und Rituale lädt Sie zur aktiven Teilnahme ein. Auf dieser Seite finden Sie Informationen zu den Projekten, an denen Sie sich beteiligen können, sowie die Performancezeiten der Sänger*innen und Tänzer*innen, die in der Ausstellung aktiv sind.
Our Labyrinth
Dienstag und Donnerstag von 12 bis 14.45 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertage von 11 bis 17.30 Uhr
Sonic Blossom
Mittwoch und Freitag von 15 bis 18 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertage von 11.30 bis 17.30 Uhr
Friday Late: beide Performances 19 - 21.45 Uhr
The Letter Writing Project
Schreiben Sie einen Brief: dieser Brief kann einen Dank, eine Einsicht oder eine Entschuldigung beinhalten und kann an eine verstorbene oder abwesende Person gerichtet sein. Wenn Sie in den Kabinen einen verschlossenen und adressierten Umschlag hinterlassen, wird er vom Museum verschickt. Wird der Brief offengelassen, sodass andere ihn lesen können, kommt er in Lee Mingweis Sammlung.
The Mending Project
In "The Mending Project" führen Näher*innen Gespräche mit Besucher*innen, während sie deren Kleidungsstücke reparieren oder veredeln. Bringen Sie ein liebgewonnenes Kleidungsstück mit, die Näher*innen kümmern sich darum!
The Dining Project (1997/2021)
Als Lee Mingwei sein Masterstudium der Bildhauerei an der Yale University in New Haven begann, setzte er sich mit Zeitlichkeit in der Performancekunst auseinander. The Dining Project (1997/2021) wurde als einjähriges Unterfangen konzipiert, in dessen Verlauf Lee jeden zweiten Abend für eine ihm unbekannte Person kochte. Bei den Mahlzeiten handelte es sich um schlichte Kost: Reis mit Huhn, Tofu und gebratenes Gemüse. Seit seiner ersten Präsentation 1998 im Whitney Museum of American Art in New York hat sich das Projekt kontinuierlich weiterentwickelt. In der VILLA STUCK können Besucher*innen über eine Verlosung an diesem Werk teilnehmen, das sich vom Dining Project zum Nachmittagstee gewandelt hat.
An jedem Dienstagnachmittag können die nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Personen an einem digitalen Nachmittagstee mit Lee Mingwei teilnehmen. In Nicht-Corona-Zeiten sitzen Gast und Gastgeber*in auf einer eigens für diesen Zweck angefertigten Plattform, umgeben von schwarzen Bohnen. Für Lee versinnbildlichen die Bohnen – die sich wie Samen einpflanzen lassen – das, was durch ein schlichtes, geteiltes Mahl „aufkeimen“ kann.
Sie haben die Möglichkeit, sich hier für einen der folgenden Termine per E-Mail an opencall.villastuck@muenchen.de anzumelden. Die Teilnehmer*innen werden über das Zufallsprinzip ausgewählt und spätestens eine Woche vor dem jeweiligen Termin informiert.
Di, 06. Juli 2021, 16:30 Uhr
Di, 13. Juli 2021, 16:30 Uhr
Di, 20. Juli 2021, 16:30 Uhr
Di, 27. Juli 2021, 16:30 Uhr
Guernica in Sand
"Guernica in Sand" ist nicht nur ein Sandgemälde, sondern eine fünfstündige Performance. Am Samstag, den 3. Juli 2021 beendet Lee Mingwei ab 12 Uhr den letzten, unvollendeten Teil des Gemäldes. Währenddessen sind Sie eingeladen, einzeln und barfuß über über das Sandgemälde zu laufen, um das Motiv durch Ihre Fußabdrücke zu verändern. Kleinere Kinder dürfen an der Hand eines Elternteils über den Sand laufen. Im zweiten Teil der Performance kehren Lee und andere Performer*innen den Sand mit Bambus-Besen zusammen.
Melden Sie sich für eine 10-minütige Begehung der Sandinstallation am 3. Juli an: rsvp.villastuck@muenchen.de. Sie können sich anmelden für ein Zeitfenster ab 14.30 Uhr. Für den Fall, dass es mehr Anmeldungen als verfügbare Plätze gibt, entscheidet ein Losverfahren über die Platzvergabe. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine manuelle Zuordnung vornehmen. Nach der Auslosung werden Sie über den Ausgang per Mail informiert.
Die Teilnahme an der Performance ist kostenfrei. Nach der Bestätigung ihres Zeitfensters müssen Sie jedoch über unseren Onlineshop ein Ticket buchen, dass Ihnen den Besuch der Ausstellung im entsprechenden Zeitfenster ermöglicht.
The Letter Writing Project (1998/2021)
Rituale der aktiven Kontemplation sind in Lee Mingweis Werk von großer Bedeutung. So können sich Besucher*innen im Rahmen von The Letter Writing Project (1998/2021) die Zeit nehmen, einen Brief zu verfassen, den sie schon seit Längerem schreiben wollten. „Als Reaktion auf den Tod meiner Großmutter mütterlicherseits verbrachte ich die darauffolgenden 18 Monate damit, ihr Briefe zu schreiben. Teilweise waren es lange Briefe, teilweise nur Zeichnungen und zufällige Gedanken. Am Ende dieses Prozesses hatte ich etwa 120 Briefe für sie.“ Zwei lichtdurchlässige Kabinen bieten einen abgesonderten Raum zum Schreiben. Stifte, Briefbögen und Umschläge liegen bereit. Inspiriert von buddhistischen Meditationshaltungen, ermöglicht jede Kabine eine andere Position, sodass man beim Schreiben knien oder sitzen kann. Lee lädt dazu ein, die Schuhe auszuziehen, die Kabine zu betreten und einen Brief zu schreiben. Dieser Brief kann einen Dank, eine Einsicht oder eine Entschuldigung beinhalten und kann an eine verstorbene oder abwesende Person gerichtet sein. Wenn er in einen adressierten Umschlag gegeben und verschlossen wurde, wird er vom Museum Villa Stuck verschickt. Wird der Brief offengelassen, sodass andere ihn lesen können, kommt er in Lees Sammlung. Diese umfasst bislang bereits über 60.000 Briefe. Lee plant, sie am Ende des Projekts in einer Zeremonie zu verbrennen, denn er ist der Ansicht: „Diese sehr schweren und intensiven Emotionen gehören eigentlich dem Himmel oder dem Wasser. Das Feuer wird die Emotionen freisetzen.“
Our Labyrinth (2015/2021)
Our Labyrinth (2015/2021) geht auf Beobachtungen zurück, die Lee Mingwei in Pagoden, Tempeln und Moscheen in Myanmar machte. An all diesen Orten sah er, mit welcher Sorgfalt Freiwillige die Wege kehrten und sie für barfüßige Besucher*innen vorbereiteten. Lee verbindet die Demut des Kehrens mit dem Bild des Labyrinths, das sich in allen möglichen spirituellen Traditionen wiederfindet. Im Gegensatz zu einem Irrgarten, in dem man sich verlaufen kann, besteht ein Labyrinth aus einem einzigen kreisförmigen Weg. Seine Windungen und Wendungen stehen sinnbildlich für eine spirituelle Reise. Das Ablaufen eines Labyrinths ist eine Form der Gehmeditation. Ausgehend von dieser Tradition ist Our Labyrinth als ritueller Tanz konzipiert. Lee fordert die Tänzer*innen auf, zwei Dinge zu tun: „Sie sollen sich ganz langsam bewegen, wie Morgennebel über einem Sumpfgebiet, und sie sollen ‚ihr Herz auf den Reis hören lassen‘, indem sie ihre nächste Bewegung nicht durchdenken, planen‘. Der Reis wird sie durch den Tanz leiten.“ Die Performer*innen kommen aus unterschiedlichen Bewegungstraditionen wie Yoga, Ballett und zeitgenössischer Tanz, sie tragen einen Sarong, ein weißes Hemd sowie Glöckchen am Fußknöchel, die im Rhythmus der Bewegung erklingen. Dadurch, dass sie Reis mit einem Besen verteilen, entstehen Muster. Sobald ein*e Tänzer*in fertig ist, wird der Besen und der Raum an den oder die nächste*n Performer*in übergeben. Diese choreografische Meditation findet täglich statt, Dienstag bis Freitag von 12 bis 15:30 Uhr und Samstag und Sonntag von 11 bis 17:30 Uhr.