Margret Eicher. Lob der Malkunst -

Margret Eicher, Lob der Malkunst, 2013/2020, Digitale Montage/Jacquard © Margret Eicher, Foto: Nikolaus Steglich

Die Ausstellung MARGRET EICHER. LOB DER MALKUNST erstreckt sich über den ersten Stock der historischen Künstlervilla Franz von Stucks. Beginnend in dessen ehemaligem Künstleratelier und späteren Repräsentations- und Verkaufsraum – wo sie vor den zur Originalausstattung des Raumes gehörenden Brüsseler Tapisserien installiert sind – rücken Eichers Arbeiten durch die Wiederentdeckung des Mythos als eine gesellschaftliche Kommunikationsform die ehemaligen Wohnräume des Künstlerfürsten in ein neues Licht.

In ihren großformatigen Tapisserien verbindet Margret Eicher (geboren 1955 in Viersen) die barocke Form der Bildteppiche mit bekannten Motiven aktueller Medienbilder unserer Informationsgesellschaft. Ihre sogenannten Medientapisserien befinden sich damit an der Schnittstelle zwischen dem im traditionellen Sinn materiellen Kunstwerk und dem elektronischen Rauschen des Digitalen. Zwei Welten, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen wollen und sich in Eichers Werk doch so harmonisch verbinden, dass man unwillkürlich in einen »Sog hybrider Verführung gerät« – wie es Harald Kunde, Direktor Museum Kurhaus Kleve, 2012 treffend formulierte.

Margret Eicher setzt die Tapisserie in ihre ursprüngliche Funktion als Kommunikationsmittel zurück. Fasziniert von den trivialen zeitgenössischen Bildklischees der Illustrierten und des Internet, verbindet die Künstlerin die grelle Schönheit der High-End-Oberflächen, die dieses Zeitgeschehen und Menschenbild spiegeln, mit der Funktion und Wirkung der historischen Tapisserie des 17. Jahrhunderts. Als Symbole für Aristokratie, Reichtum, Macht und Bildung bedienten historische Wandteppiche vorrangig politische Zwecke. Vergleicht man dies mit den zeitgenössischen Massenmedien, welche Eicher in Bezug zu dieser höfischen Repräsentation und Legitimation setzt, ergeben sich verblüffende Parallelen, wodurch die Künstlerin die Wirkungsmacht der Bildkommunikation in der heutigen Zeit hinterfragt.

Die von Eicher verwendeten Bildvorlagen werden digitalisiert und in aufwändiger Bearbeitung am Computer miteinander zu neuen Bildinhalten verschmolzen. So trifft im Werk GÖTTLICHE LIEBE (2011) Caravaggios DORNENKRÖNUNG auf ein sich küssendes homosexuelles Paar aus einer Berliner Toleranzkampagne. Botticellis GEBURT DER VENUS wird durch die Verschmelzung mit einer Frankfurter U-Bahnstation in die heutige Zeit versetzt. DAS GROSSE RASENSTÜCK (2013) – im Original von Albrecht Dürer – verwandelt sich in Verbindung mit der journalistischen Fotografie eines Soldaten zum Teil eines Egoshooter-Computerspiels.

Das zentrale Bildgeschehen wird in Eichers Arbeiten stets von ebenfalls digitalisierten Bordüren umrahmt, die sich gemäß ihrer historisch-traditionellen Funktion auf Symbole und Zeichen der gegenwärtigen Gesellschaft beziehen. Bei Eicher setzen sie sich aus wissenschaftlichen Schaubildern, Börsen- oder Wirtschaftsdiagrammen, Auszügen aus Comics und Computerspielen oder – wie bei DAS URTEIL DES PARIS (2012) – einem Menübalken zusammen, welcher den Betrachter*innen die Möglichkeit suggeriert, die dargestellte Wirklichkeit mit nur einem Klick verlassen zu können.

Als industrielle »Fälschungen« werden Eichers Tapisserien in Belgien hergestellt, einem Land, das neben Paris als Ursprung der klassischen Tapisserie und heutiger Souvenir-Repliken gilt. Die Praxis der konzeptionellen Kunstproduktion – bei welcher die künstlerische Idee im Zentrum steht, wodurch die Ausführung derselben in den Hintergrund rückt – wird in Eichers Arbeit LOB DER MALKUNST (2013) schließlich selbst zum künstlerischen Konzept erhoben und durch Martin Kippenberger in der Gestalt eines galanten Dandys symbolisiert. Im Innenraum der angesagten PARIS BAR in Berlin-Charlottenburg lässt Eicher die verschiedenen Strömungen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts aufeinanderprallen. Im Zentrum erscheint Jan Vermeers MÄDCHEN MIT DEN PERLENOHRRINGEN als Richterin über die Künste mit Lorbeerkranz und Posaune. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass diese die Züge der Schauspielerin Scarlett Johansson trägt, welche wiederum als Darstellerin der gleichnamigen Verfilmung (2003) fungierte. Es sind vor allem diese Verschränkungen, welche Eichers Arbeiten so interessant machen und stets neue Assoziationen hervorbringen.

Biographie

1955 Geboren in Viersen am Niederrhein
1973-79 Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Fritz Schwegler und Prof. Rolf Sackenheim

EINZELAUSSTELLUNGEN (Auswahl)

1992 Mannheim Kunstverein und Landesmuseum für Technik und Arbeit
1993 Fotogalerie Wien
1994 Städtische Kunsthalle Mannheim / Kunstverein Freiburg
1995 Forum Fotografie im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
1996 Kunststiftung Baden-Württemberg, Stuttgart / Kunstverein Dortmund
1998 Palais Podewil, Berlin
1999 Museum der Stadt Waiblingen
2000 Ludwig-Hack-Museum, Ludwigshafen / Staatsgalerie Stuttgart
2002 Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt
2004 Forum Ludwig für Internationale Kunst, Aachen
2005 Kunstverein Wolfenbüttel / Forum Kunst, Rottweil
2006 DAM, Berlin / Staatsgalerie Saarbrücken
2007 Museum Liner, Appenzell (CH)
2008 DAM, Berlin
2009 Galerie Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt / arteversum, Düsseldorf
2010 Schloss Agathenburg, Stade / Merkel Collection, Mannheim
2011 Kunstverein Baden-Baden / ARTE, Straßburg / ZKM, Karlsruhe / Erarta-Museum, St. Petersburg
2012 Kunstmuseum Heidenheim
2013 Badisches Landesmuseum, Karlsruhe / Orangerie Schloss Charlottenburg, Berlin
2014 CACTicino, Bellinzona (CH) / Westfalen Kunstmuseum, Ahlen
2015 Kunsthalle am Hamburger Platz, Berlin
2016 Museum Bellevue, Wiesbaden
2017 Sprengel Museum, Hannover
2019 Zagreus Projekt, Berlin

GRUPPENAUSSTELLUNGEN (Auswahl)

1990 Pfalzgalerie Kaiserslautern
1992 Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
1994 Kunsthaus Hamburg
1995 Wanderausstellungen der Stipendiaten der Kunststiftung Baden-Württemberg
1997 Fondazione Velan, Turin (I)
2000 Bureau TM, Davos (CH)
2005 Fotoforum Braunau (A)
2006 Pfalzgalerie, Kaiserslautern
2008 Kunsthalle Darmstadt
2010 Galerie Eugen Lendl, Graz (A) / Fotoforum West, Innsbruck (A)
2011 Musée des Beaux-Arts, Tournai (B)
2012 MOCAK, Krakau (P) / Tichy Foundation, Prag (CZ)
2015 Kunsthistorisches Museum Wien (A)
2016 Pfalzgalerie Kaiserslautern
2018 Haus am Lützowplatz, Berlin / Kunstverein Pforzheim
2019 Me Collectors Room, Berlin / Schloss Caputh, Potsdam / Kunstpavillon, München

PREISE UND STIPENDIEN

1989 Arbeitsstipendium des Landes Rheinland-Pfalz
1993 Preis der Rheinland-Pfälzischen Lotto-Toto-Gesellschaft
1994 Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg
1995 Förderstipendium des Kunstfonds Bonn e.V.
1996 2. Preis Copy-Art-Wettbewerb der Internationalen Grafik-Triennale Grenchen, CH

ÖFFENTLICHE SAMMLUNGEN (Auswahl)

Badisches Landesmuseum, Karlsruhe
Digital Art Museum, Berlin
IKOB, Eupen
ZKM, Karlsruhe

Katalog

Herausgeber: Michael Buhrs, Autor*innen: Michael Buhrs, Marc Wellmann, Margret Eicher, Gestaltung: Access All Areas (Felix Flemmer, Noëm Held). Broschur, 19,5 x 25 cm, 244 Seiten, Reproduktionen aller Werke und Installationsansichten, Deutsch/Englisch, ISBN: 978-3-96912-017-0. Preis: 38 €