Richard Jackson. Ain't Painting a PainMalerei und Installationen 1969–2012 -

Richard Jackson, The Laundry Room (Death of Marat), 2009, Acrylfarbe, Metall, Holz, Linoleum, Aquaresin, Kunststoff, Stoff, Computer, Waschmaschine, 120 x 570 x 570 cm. Courtesy the artist und Hauser & Wirth Foto: Stefan Altenburger Photography Zürich © Richard Jackson
Richard Jackson, The Laundry Room (Death of Marat), 2009, Acrylfarbe, Metall, Holz, Linoleum, Aquaresin, Kunststoff, Stoff, Computer, Waschmaschine, 120 x 570 x 570 cm. Courtesy the artist und Hauser & Wirth Foto: Stefan Altenburger Photography Zürich © Richard Jackson

Die Ausstellung wird großzügig unterstützt durch die Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Jean und Tim Weiss, die Rennie Collection, Vancouver, Hauser & Wirth

Mit »Ain't Painting a Pain« (»Ist die Malerei nicht eine Qual«) zeigt das Museum Villa Stuck die erste Retrospektive des amerikanischen Malers Richard Jackson (geb. 1939 in Sacramento, Kalifornien). In der Nachfolge von Jackson Pollock, Robert Rauschenberg und Jasper Johns zählt Richard Jackson zu den radikalsten Künstlern der letzten vierzig Jahre in den USA. Wie kein anderer zeitgenössischer Künstler lotet er seit den frühen 1970er-Jahren die Möglichkeiten der Malerei aus: Durch seinen einfallsreichen, überschwänglichen und respektlosen Umgang mit dem »Action Painting« erweitert er die performative und räumliche Dimension von Malerei. Zudem positioniert er diese neu als eine Kunst der Alltagserfahrung, indem er die Grenzen zwischen Bildhauerei und Malerei durchbricht.

Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Nikolaus Steglich

Jacksons Werk bewegt sich in stetiger Entwicklung von konzeptueller Abstraktion hin zum konzeptuellen Realismus: Ausgehend von einer figurativen Bildauffassung ergründet er den künstlerischen Prozess und verlagert sich dabei von einem im Wesentlichen dekonstruktiven auf einen generativen Ansatz, bei dem die Neuschaffung einer Bildsprache gegenüber der Demontage im Vordergrund steht. Dabei unterzieht Jackson kanonisierte Werke der Kunstgeschichte, etwa von Jacques-Louis David, Edgar Degas, Georges Seurat, Marcel Duchamp oder Jasper Johns, einer Neuinterpretation. Die entsprechende Serie von Werken Richard Jacksons, die in der Gegenwartskunst in ihrer Umsetzung ihresgleichen sucht, bildet einen der Schwerpunkte der Werkschau im Museum Villa Stuck und bietet die Möglichkeit, das Bezugssystem von Jacksons anhaltender Auseinandersetzung mit der Geschichte der Malerei einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Die Ausstellung erstreckt sich über das Neue Atelier und die Historischen Räume der Villa Stuck und umfasst sechs zum Teil raumfüllende Installationen aus der Zeit von 1969 bis 2012 sowie zwei eigens für die Ausstellung in der Villa Stuck erstellte Arbeiten. Malereien und Installationen werden ergänzt durch etwa 140 Vorzeichnungen, Arbeiten auf Papier und Modelle. Von besonderer Bedeutung ist dabei die 1978 entstandene – und in der Retrospektive erstmals zu sehende – Folge der 100 Drawings, die als eine inhaltliche Übersicht über seinen Schaffensprozess angesehen werden kann und damit von unschätzbarem Wert für das Verständnis von Jacksons Werk ist.

Der Titel der Ausstellung »Ain't Painting a Pain« geht zurück auf das gleichnamige Werk Jacksons aus dem Jahr 2009, das zwei für sein Werk zentrale Elemente versinnbildlicht: konzeptuelle Strenge und körperliche Anstrengung.

Die Retrospektive knüpft an die Zusammenarbeit mit Richard Jackson bei dem multidisziplinären Ausstellungs-Projekt »L.A.-ex« an, das im Jahr 2000 im Museum Villa Stuck zu sehen war. Über Gattungsgrenzen hinweg und mit unkonventionellen Strategien setzten sich seinerzeit, neben Jackson, unter anderem Meg Cranston, T. Kelly Mason, Raymond Pettibon oder Diana Thater in exemplarischen künstlerischen Positionen mit dem Phänomen Los Angeles auseinander.

»Wall Paintings«

In seinen Werken der 1970er und 1980er Jahre kehrte sich Jackson von technischen und stilistischen Konventionen der Malerei ab, ohne jedoch ihre materiellen Eigenschaften zu negieren. So schiebt Jackson bei seinen »Wall Paintings« Leinwände quer über die Wände der Ausstellungsräume, so dass die Leinwand selbst zum Mittel des Farbauftrags wird und sich dadurch abstrakte Wandmalereien von hoher grafischer Wirkkraft und eindrucksvoller Formenvielfalt ergeben. In Franz von Stucks neuem Malatelier aus dem Jahr 1914/15 fertigt Jackson über eine Länge von über zwölf Metern ein neues »Wall Painting«, das nach Ende der Ausstellung wieder zerstört wird.

Der unkontrollierte Farbauftrag, den Jackson in einigen seiner Werke anwendet, kann auf Edward Kienholz' »Broom Paintings« der 1950er Jahre zurückgeführt werden, während seine Vorliebe für pastose Oberflächen an Arbeiten von Wayne Thiebaud erinnert, insbesondere an dessen Gemälde von Süßspeisen, Kuchen und Keksen. Beide Künstler übten einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluss auf Jackson aus.

»Stacked Paintings«

Bei den »Stacked Paintings«, die Jackson seit 1980 als zweite zentrale Werkgruppe erstellt, werden Tausende von auf Keilrahmen gespannte Leinwände bemalt und anschließend mit der bemalten Seite nach unten aufeinander gestapelt. Es entstehen monumentale umschlossene Räume bzw. skulpturale Werke, bei welchen Farbe in gleichem Maß als Klebe- wie auch als Ausdrucksmittel verwendet wird. Mit »5050 Stacked Paintings« ist eine bereits 1980 konzipierte, ca. neun Meter lange, viereinhalb Meter breite und drei Meter hohe Installation aus 5050 Gemälden zu sehen, die für die vorliegende Retrospektive erstmals realisiert wurde und Jacksons größtes »Stacked Painting« darstellt.

Der Vorgang des Malens und die dabei entstehenden innovativen Formexperimente stehen für Jacksons Abkehr von tradierten technischen und stilistischen Konventionen der Malerei. Er übte damit richtungsweisenden Einfluss auf eine Vielzahl zeitgenössischer Künstler in Los Angeles aus, die in den nachfolgenden Jahrzehnten mit einer neuen, revolutionären Formensprache an die Öffentlichkeit treten sollten, so etwa Jason Rhoades oder Andrew Dadson.

Mit Blick auf diese Schaffensperiode meinte Jackson in einem Gespräch mit Dennis Szakacs: »… je mehr Arbeiten dieser Art ich schuf, umso vertrauter wurden mir die Materialien und umso reizvoller wurde das, was am Ende herauskam. Deshalb verlor ich das Interesse an ihnen. Wenn man in eine Tätigkeit oder einen Prozess einsteigt, kann etwas schief gehen und das ist gerade der Punkt, an dem es interessant wird. Wenn alles nach Plan läuft, ist es nicht interessant.«

»Painted Environments«

Nachdem Jackson seine schöpferischen Möglichkeiten im Hinblick auf »Wall Paintings« und »Stacked Paintings« ausgereizt hatte, erweiterte er Anfang der 1990er Jahre sein künstlerisches Repertoire um einen figurativen konzeptionellen Realismus und ergründete damit weiter die Mechanismen des Bildermachens.

Er begann damit, aufwändige »Painted Environments«, d.h. »Malmaschinen« zu bauen, die bereits vor der Eröffnung der Ausstellung in Betrieb genommen werden und somit vom Betrachter als Zeugnis einer Performance anstatt der Performance selbst erlebt werden. Bei diesen mechanisierten Arbeiten wird das Medium Farbe mit Hilfe von Pumpen, Motoren, Ventilatoren, Propellern, Luftkompressoren und Sprühschläuchen auf sehr einfallsreiche und ausgefallene Weise eingesetzt.

In »Ain't Painting a Pain« sind mehrere dieser raumgroßen, über eine Zeitspanne von zwanzig Jahren hinweg entstandenen Arbeiten zu sehen, darunter fünf, in denen Jackson Werke bedeutender Künstler einer Neuinterpretation unterzieht. So schießt er zum Beispiel in seiner Arbeit das pointillistische Meisterwerk La Grande Jatte mittels eines Luftgewehrs auf eine weiße Leinwand. Seit Beginn des Projekts im Jahr 1992 ist das Werk nach bisher etwa 90.000 Schüssen bzw. Farbpunkten nicht einmal zu zehn Prozent fertig gestellt und wird voraussichtlich unvollendet bleiben. Jackson gibt hier, in einer maßlosen Übersteigerung der arbeitsintensiven Maltechnik Seurats, eine erste Probe seines subversiven Ansatzes, mit dem er zu einer Neuinterpretation von Ikonen der Kunstgeschichte findet.

In dem 1997 entstandenen Werk Painting with Two Balls nimmt Jackson Bezug auf Jasper Johns’ berühmten kritischen Seitenhieb auf den Abstrakten Expressionismus. Jackson schafft ein gewaltiges »Action Painting«, bei dem zwei große, von einem Ford Pinto angetriebene, sich drehende Kugeln nach allen Seiten Farbe in den Ausstellungsraum schleudern.

In der 2009 entstandenen Arbeit The Laundry Room (Death of Marat) verwandelt Jackson Jacques-Louis Davids' Pietà der französischen Revolution aus dem Jahr 1793 in eine dreidimensionale, begehbare Inszenierung. Er stellt so eine gedankliche Verbindung zwischen der französischen Schreckensherrschaft und dem amerikanischen Kampf gegen den Terror her und macht damit den für beide Epochen kennzeichnenden polarisierten politischen Diskurs zum Thema.

Zeichnungen und Skizzen

Ergänzend gezeigt werden die aus Jacksons Frühzeit, also den Jahren 1969 bis 1988, stammenden Vorzeichnungen und Modelle für gemalte Environments, »Wall Paintings» und »Stacked Paintings«. Sie bekunden Jacksons weitaus höheres Interesse am Prozess der Entstehung als an der Wirkung des fertigen Bildes und führen, neben Jacksons akribischer Zeichenkunst, den ungeheuren Aufwand vor Augen, den er in seine großformatigen, oftmals nach Ausstellungsende wieder zerstörten Arbeiten investiert.

Von herausragender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die 1978 entstandene Folge von 100 Drawings. In ihnen skizziert Jackson Ideen, Entwürfe und Gedanken sowohl zu bereits existierenden als auch zu geplanten Arbeiten, vermerkt handschriftlich Anweisungen für ihre Ausführung und klassifiziert seine Vorschläge, je nach dem Grad ihrer Komplexität, mit Schulnoten.

Jacksons Werk wurde aus der vorherrschenden Geschichtsschreibung der amerikanischen Kunst nach 1960 oftmals ausgeklammert und seine Arbeiten in der Zeit von den 1990er Jahren bis heute weit häufiger in Europa als in den USA ausgestellt. »Ain't Painting a Pain« bietet die Möglichkeit einer umfassenden Neubewertung von Richard Jacksons Werk und seiner Position in der Kunstgeschichte. Jacksons Neukonzeption von Formen und Strukturen der Malerei fand eine breite Rezeption insbesondere in Europa, wo mit Protagonisten wie Alberto Burri, Lucio Fontana, Yves Klein sowie mit Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri und Günther Uecker eine Vielzahl von Künstlern tätig war, die mit den Konventionen der Malerei brachen.

Jackson selbst war einflussreicher Mentor: Während seiner Lehrtätigkeit an der University of California in Los Angeles Anfang der 1990er Jahre übte er großen Einfluss aus auf Künstler wie Jason Rhoades sowie eine ganze Generation weiterer junger Künstler aus Los Angeles.

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Prestel-Verlag mit Beiträgen von Dennis Szakacs, John C. Welchman, Michael Darling, Jeffrey Weiss, Hans Ulrich Obrist und Philippe Van Cauteren, englisch, Festeinband, 304 Seiten mit zahlreichen Abbildungen in Farbe, ISBN 978-3-7913-5226-8, erhältlich im Museumsshop zum Preis von € 49,95. Die Katalogproduktion wird unterstützt durch Lenore und Bernard Greenberg.