Neues Atelier

Erfolg und die Aussicht auf Großaufträge führten zum Bau eines großen Ateliergebäudes, das einen neuen und in seiner Zeit außergewöhnlichen Bautypus darstellt. Konkreter Anlass für den Bau des Neuen Ateliers 1914/15 war der Auftrag der Stadt Köln für die Großplastik der Speerschleudernden Amazone 1912/13, die Stuck noch im Gigantensaal der Münchner Akademie modellierte.

Als »White Cube« modernster Art geplant und damit seiner Zeit weit voraus, suchte Stuck in seinem Atelier nun nicht mehr den farbig lodernden Hintergrund als Inspirationsquelle für seine Gemälde, sondern bevorzugte einen luftigen, perfekt proportionierten, neutralen Raum. Auf dem Ideal eines quadratischen Grundrisses entstand ein Skulpturenatelier mit zwei freitragenden Säulen im Erdgeschoss und einem riesigen Kuppelsaal mit Oberlichtfenstern als Malatelier im Obergeschoss. Riesige Nordlichtfenster erhellen beide Etagen. Vom Kuppelsaal aus trat man auf eine große Gartenterrasse für Studien en plein air, hierher ließ Stuck seine Modelle kommen und arbeitete oft tagelang im Freien. Vom Neuen Atelier aus führte er seine Gäste und Kunden über den Verbindungsbau in sein altes Malatelier, das nunmehr als repräsentativer Showroom und Festsaal diente. Als Vertreter einer Kunst an der Schnittstelle von Malerei und Fotografie betrieb Stuck mit seiner Ehefrau im Keller ein Fotoatelier für die Aufnahmen von Porträts und Figurenstudien, für die er bisweilen selbst als Modell posierte. Das Neue Atelier dient heute als Ort für Wechselausstellungen.

Dem Neuen Atelier ist ein riegelförmiger Dienstbotentrakt angefügt, der das Gebäudeensemble aus Villa, Neuem Atelier und Skulpturengarten entlang der Ismaninger Straße hermetisch abschließt.

Stuck und seine Ehefrau Mary gehörten zu den ersten Automobilisten ihrer Zeit. Eine Leidenschaft, die er mit dem befreundeten Malerkollegen Hubert von Herkomer (1849–1914) teilte, der nach Vorbild des Gordon-Bennett-Cups in Landsberg am Lech 1905 die ersten Tourenwagenrennen initiierte. Auch Stucks Stiefsohn, der deutsche Flugpionier und spätere Arzt Otto Lindpaintner (1885–1975), engagierte sich ab 1914 im frühen Autorennsport.

Die Garage ihres Wagens ist zum Garten hin mit einem Tempelgiebel ausgezeichnet und sowohl zur Straße als auch zum Garten hin mit dem Relief einer Nike (antike Siegesgöttin) auf modernem Luftreifen gschmückt. Stuck verband in ihr das klassische Motiv der griechischen Siegesgöttin mit dem modernen Luftreifen, dem »Pneu«, zu einem Triumph der Geschwindigkeit, ein Bekenntnis zu modernem Lebensstil und Fortschrittsglauben. Stucks Relief erinnert an die berühmte Kühlerfigur von Charles Sykes für Rolls-Royce, die 1911 unter dem Namen »Spirit of Ecstasy« bzw. »Emily« bekannt wurde. Im ehemaligen Dienstbotentrakt befinden sich heute die Büros der Mitarbeiter des Museums.