
Der spanische Künstler Gonzalo Borondo ist ein Meister der Illusion. In seinen spektakulären Wandgemälden, Installationen und Mixed-Media-Arbeiten erschafft er fantastische Bildwelten, die sich scheinbar stetig verändern, Neues offenbaren, Altes verhüllen und zugleich die Perspektive der Betrachtenden hinterfragen. Räumliche Grenzen lösen sich auf, Innen und Außen verschmelzen zu einer Ebene, auf der Vergangenheit und Gegenwart gleichsam schweben. Borondos komplexes Universum vereint Motive roher Körperlichkeit mit Elementen zarter Fragilität, die – wie ein flüchtiger Gedanke – eine ebenso starke Präsenz entfalten. So entstehen mehrdimensionale Erfahrungsräume, die der Vergangenheit neue, gegenwärtige Impulse verleihen.
Am Anfang eines jeden Projekts steht die intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes. Diese spiegelt sich nicht nur in der Wahl der Motive, sondern auch in den verwendeten Materialien wider. Jedes Medium wird gezielt ausgewählt, um das jeweilige Thema ideal zu transportieren. Borondo experimentiert kontinuierlich mit neuen Techniken und kombiniert traditionelle Materialien wie Acryl- und Ölmalerei mit innovativen Ansätzen. Dazu zählen das Einritzen in Glas, die Arbeit mit Licht und Schatten sowie die Einbindung natürlicher oder vorgefundener Materialien. All diese Elemente verschmelzen zu einer Gesamtinszenierung, die geheimnisvolle und tiefgründige Werke entstehen lässt.
Für das Museum VILLA STUCK gestaltet Borondo das Gerüst der Hauptfassade während der Sanierungsarbeiten. Wie eine durchscheinende Haut legt sich die weiß-goldene Malerei um das berühmte Künstlerhaus, lässt manches erahnen und zeigt ein Bildprogramm, das tief in Franz von Stucks künstlerischer Welt verwurzelt ist und zugleich Borondos unverwechselbare Handschrift trägt. Mythologische Gestalten wie Faune und Kentauren, dionysische Elemente sowie Motive, die um Eros und Thanatos kreisen, werden in einer zeitgenössischen Interpretation mit neuem Leben erfüllt. Durch subtile Veränderungen der Symbolik stellt Borondo Stucks manichäisches Geschlechterbild auf den Kopf und lädt zu einer Reflexion über eine neue Männlichkeit jenseits althergebrachten Geschlechterklischees auf individuelle und gesellschaftliche Ebene ein.
Die verhüllte Fassade erhebt sich wie ein urbaner Altar über die Prinzregentenstraße – eine in die Zukunft weisende Hommage an Franz von Stucks Gesamtkunstwerk. Der Titel „Chrysalis“, die biologische Bezeichnung für die mit goldenen Flecken versehene Puppenhülle mancher Schmetterlinge, verweist auf einen fortwährenden Transformationsprozess. Das Innere nach außen zu kehren, offenbart jedoch nur einen Teil des Geheimnisses. Im Museum wie im Bildprogramm reift neues heran.
Über den Künstler
Gonzalo Borondo (Valladolid, Spanien, 1989) ist ein Multimedia-Künstler, der zwischen Spanien und Italien lebt. Sein Fokus liegt auf den Wert von Erinnerung und Erbe, vor allem beschäftigt er sich mit den vielfältigen Beziehungsgeflechten von historischen Räumen in einem zeitgenössischen Kontext. Borondos multidisziplinäre Praxis erforscht die traditionellen Grenzen der Kunst. Er arbeitet häufig mit Künstler*innen, Designer*innen und Handwerker*innen zusammen, um multisensorische Kunstwerke zu schaffen, die das Publikum in neue Welten eintauchen lassen.
Seit 2010 arbeitet Borondo mit verschiedenen Institutionen und Räumen auf der ganzen Welt zusammen. Seine Installationen wurden in renommierten Museen wie dem UN Museum (Berlin), dem MACRO (Rom) und dem Museo de Arte Contemporáneo Esteban Vicente (Segovia) gezeigt. Einzelausstellungen fanden in Städten wie London, Paris, Madrid und Mailand statt. Das Werk „Merci“ ist Teil der ständigen Sammlung des CAPC-Museums (Bordeaux). Seit 2023 ist er Vollmitglied der Königlichen Akademie für Geschichte und Kunst von San Quirce. Borondo ist im Februar und März 2025 Gastkünstler in der Villa Waldberta, dem Residenzprogramm der Landeshauptstadt München. Eine Fortsetzung von „Chrysalis“ ist im Inneren der Villa Stuck nach der Wiedereröffnung geplant.